Frank Piontek, Nordbayerischer Kurier, 22. Dez 2010

Auch dieses Bild wird den sichtlich begeisterten und ebenso entzückten großen Zuschauern unvergesslich bleiben: Wie schön der Wal über die Bühne schwebt, während Hänsel und Gretel sich in den Schlaf träumen – aber Moment befinden wir uns nicht im dunklen Märchenwald? Stimmt – aber wieso sollte in einem kindlichen Märchenwald nicht ein riesiges Plüschtier mit einem Engel auf dem Rücken über die Bühne schweben? Das Träumen ist schließlich, sagt die Regisseurin, wie ein Eintauchen in ein tiefes Meer. (…)

Eckenweber setzt auf symbolische Schauwerte und gestische Details, inszeniert eine köstliche Hexe, die die Kinder im Saal wahrlich erschreckt. Ihr Geschwisterpaar ist ein buntes Pärchen aus dem Geist der alternativen Kinderkiste: ganz modern, ganz stimmig, wo es um die Frage geht, was „Armut“ inmitten einer relativ wohlhabenden Gesellschaft bedeutet. Das naive Märchen kommt dabei nicht zu kurz, und wenn am Ende die Lebkuchenkinder, deren Geschichte schon im Vorspiel angedeutet wird, entzaubert werden, darf man schwer gerührt sein. (…)

Man darf gespannt sein, wie es mit der Regisseurin, die einen Sinn für sensible Effekte hat, bühnenmäßig weitergeht.

Birgit Eckenweber heißt die Regisseurin, die die Bayreuther Theaterfreunde noch kennen, denn hier begann ihre Theaterkarriere. Ihre Laufbahn ist der beste Beleg für die These, dass man mit sogenannten „kleinen“ Stücken und Inszenierungen beginnen kann, vielleicht sogar muss, um irgendwann an einem „großen“ Haus wie der Leipziger Oper zu landen, an der nun der zauberhafte Wal durch die Traumpantomime schwebt.

Am Theater Plauen-Zwickau legte sie bereits eine erste „Hänsel  und Gretel“-Inszenierung vor. Diese Arbeit war poetisch so vollkommen, dass sie die Einladung erhielt, sich das Stück in Leipzig noch einmal vorzunehmen.

Erstaunlicherweise hat sie keine Kopie abgeliefert. Sie ließ – durch Bühnenbildner Alexander Mudlagk – neue, insgesamt farbigere Bilder entwerfen. Die Idee des Schutzengels, der auch einmal versagen kann, ist nicht neu, wir haben ihn schon in Plauen gesehen, aber nun sehen wir ein ganz kleines Engelmädchen, das wieder von der Ouvertüre an dabei ist und zur Identifikation mit den kleinsten Zuschauern einlädt.

(…) Kommt hinzu, dass die Leipziger Oper hier über erste Sänger verfügt und das Orchester unter Ulf Schirmer den wagnerischen Glanz und die humperdeske Originalität der Wunderpartitur des Wagner-Schülers und Siegfried-Wagner-Lehrers Engelbert Humperdinck realisiert. Claudia Huckle und Victorija Kamiskaite als Titelpärchen, Volker Vogel als Knusperhexe: man spürt, dass auch ihnen die Sache enormen Spaß macht. Die Lebkuchenkinder wurden ent-, wir verzaubert. Man darf gespannt sein, wie es mit der Regisseurin, die einen Sinn für sensible Effekte hat, bühnenmäßig weitergeht.