Eva Blaskewitz, Klassikinfo.de

(…) Nachdem Er verschwunden ist, schneidet Sie sich mit dem Frühstücksmesser die Pulsadern auf, und nun ergibt sich das Scharnier zum spannenden zweiten Teil der Aufführung: Denn Er kommt nun mit drei Frauen zurück, die das zerwühlte Bett in Ordnung bringen und das Handgelenk der Frau verbinden, die daraufhin lächelnd die Augen aufschlägt. Und eben jene drei Damen, die mit Tomas Möwes den Schlusschoral der Kantate singen, tauchen nach der Pause in denselben schwarzen Röcken und weißen Blusen als Verkörperung von Alma Mahler in verschiedenen Lebensstadien wieder auf – übrigens mitsamt dem Interieur von Konwitschnys langjährigem Ausstatter Helmut Brade, im Wesentlichen schlichte Möbel und ein Kühlschrank, die im zweiten Teil in den Bühnen-Hintergrund gerückt sind. Die Regisseurin Birgit Eckenweber hat unter dem Titel „Von Trophäen und Träumen“ ein eigenwilliges szenisch-musikalisches Porträt von Alma Mahler entworfen, mit Zitaten ihrer Zeitgenossen, ihren eigenen Texten und Liedern, die Martin Bargel effektvoll für ein Kammerensemble nach dem Vorbild von Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“ instrumentiert hat. Der Sinfonietta Leipzig, einem Zusammenschluss von Mitgliedern des Gewandhausorchesters, und dem musikalischen Leiter William Lacey gebührt große Anerkennung für ihre Fähigkeit, von schlankem Barock-Ton auf spätromantische Klangsinnlichkeit umzuschalten – und dann auch noch schauspielerische Aktion zu entfalten, indem sie aus Zeitungen Zitate von Weggefährten der exzentrischen Heldin zum besten geben.

Birgit Eckenweber gelingt es, verschiedenste Facetten aus Alma Mahlers Seelenlabyrinth zu zeigen. Das Schwanken zwischen eigenen Ambitionen und der Liebe zu Männern, die ihre künstlerische Entfaltung blockierten – insbesondere Gustav Mahler, der ihr das Komponieren verbot -, ihre schwierige Persönlichkeit, die viele Zeitgenossen gleichermaßen faszinierte und abstieß – prototypisch die berühmte Äußerung ihrer Freundin Marietta Torberg: „Sie war eine große Dame und gleichzeitig eine Kloake“ – all das kommt in diesen geschickt montierten Texten und Liedern zum Ausdruck. Birgit Eckenweber kann sich dabei auf drei exzellente Sänger-Darstellerinnen verlassen: Antje Schultz, Mitglied des Jugendchores, als jugendliche Alma und die Mezzo-Sopranistinnen Lena Belkina und Karin Lovelius als junge und als ältere Erwachsene. Einziger Wehrmutstropfen bleibt, dass die beiden Letzteren zwar bewundernswert gut, aber doch nicht akzentfrei deutsch sprechen. Dafür verfügen beide über ausdrucksstarke Stimmen – betörend sinnlich insbesondere der dunkle Mezzo von Karin Lovelius – und, ebenso wie ihre junge Kollegin, über eine starke Bühnenpräsenz. Die drei Frauen treten in imaginäre Dialoge miteinander und erzählen dabei von wichtigen Stationen in Almas Biografie und ihren komplizierten und konfliktreichen Beziehungsgeflechten, gewürzt mit Anekdoten wie der von der lebensechten Alma-Puppe, die der ehemalige Geliebte Oskar Kokoschka mit kostbarster Pariser Wäsche ausstattete und schließlich nach einer alkoholreichen Party massakrierte. Besonders berührend die letzten Augenblicke, wenn die über 80-jährige Alma – sie starb 1964 in New York – im allmählich verlöschenden Scheinwerferlicht einen Blick auf ihren Lebensabend wirft.